Die nächste Tagung
Ankündigung der Tagung der Freien Akademie vom 29. bis 31. Mai 2025:
Illusion Gerechtigkeit ?
Es gilt als Errungenschaft der Französischen Revolution, dass persönliche Freiheit ein Menschenrecht ist und die zu ihrer Realisierung nötige Gleichberechtigung durch Brüderlichkeit bzw. Solidarverhalten gestützt werden muss, dass zur Gerechtigkeit also immer auch ein gewisses Maß an Gleichheit gehört. Bis heute aber ist dies umstritten. Rechtspositivisten in der Tradition von Thomas Hobbes meinen, Gesetze könnten jeden beliebigen Inhalt haben und diesbezügliche Entscheidungen seien politischer Natur. Wirtschaftsliberale fordern unter Berufung auf die Gesetze des freien Marktes den „Nachtwächterstaat“, der sich auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beschränkt. Marxisten treten zwar für die Gewährleistung der materiellen Lebensbedingungen jedes Einzelnen ein, sehen darin aber keine Verwirklichung von Gerechtigkeit, sondern eine Bedingung der Aufhebung von Klassengegensätzen.
Gerechtigkeit galt und gilt auch als individuelle Tugend. Philosophenkönige sollten nach Platon - von der Idee des Guten geleitet - gerecht regieren; und auch nach Aristoteles sollte am besten eine gebildete kluge Aristokratie im Staat die Gesetze geben. Gleichzeitig aber findet man schon bei ihm die Gedanken einer Begrenzung der Macht der Regierung und einer Ausbalancierung der Interessen der verschiedenen Schichten und Gruppen im Staat. Berühmt ist heute die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika für die in ihr institutionalisierten Checks und Balances. Das materielle Auskommen aber ist dieser Verfassung nach ebenso Sache des Einzelnen wie sein Glück. Bestenfalls die ihn einschließenden natürlichen Lebensgemeinschaften wie seine Familie oder seine Gemeinde könnten nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit verpflichtet sein, ihm zu helfen.
Die Idee des Sozialstaates, der dem Einzelnen das Existenzminimum garantieren soll, ist relativ neu. Auch im Grundgeseder Bundesrepublik Deutschland ist das Recht darauf nicht ausdrücklich formuliert, sondern ergibt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus der staatlichen Pflicht zum Schutz der Menschenwürde nach Artikel 1 GG.
Hinzugekommen ist in den letzten Jahren die Aufarbeitung kulturgeschichtlich tradierter Formen der Diskriminierung, nämlich das Streben nach geschlechtlicher Emanzipation und Selbstbestimmung, nach Respektierung der kulturellen und damit auch sprachlichen Eigenarten, der sozialen Herkunft, der individuellen Leistungsfähigkeit und des Bildungsstandes. Globale Entwicklungen in der Gegenwart führen zu neuen Anforderungen an die Politik und den Staat, aber auch zu einer neuen Individualethik. Zur Beachtung der Ansprüche auf Gleichbehandlung und Gleichstellung und zu einem gerechteren Verhalten sind wir alle aufgefordert. Führen sie jedoch zu Gerechtigkeit im Zusammenleben der Menschen? Die Unübersichtlichkeit der Anforderungen hat dem ethischen Diskurs eine unbekannte Schärfe gegeben und teils zu einem seinerseits diskriminierenden Moralisieren geführt. Befinden wir uns in einem Aufbruch zwischen Moral und Diskriminierung?
Was ist gerecht und was ungerecht? Was kann der Einzelne in emanzipatorischer Absicht legitim von der Gesellschaft fordern, und was davon lässt sich eindeutig formulieren und politisch durchsetzen? Was ist illusorisch? Inwieweit ist der Einzelne zum Entgegenkommen und damit auch zum Interessensverzicht verpflichtet? Wann ist es angezeigt, Erfolg und Glück in den Händen des Betroffenen zu lassen und von Regelungen oder Konventionen Abstand zu nehmen?
Diesen Gesichtspunkten soll auf der Tagung der Freien Akademie unter verschiedenen Perspektiven interdisziplinär nachgegangen werden. Dabei stehen wieder Daseins- und Wertefragen unter philosophischen, politikwissenschaftlichen, anthropologischen und sozialpsychologischen Aspekten im Vordergrund.
Sie sind herzlich zur wissenschaftlichen Tagung der Freien Akademie vom 29. bis 31. Mai 2025, in der Frankenakademie Schloss Schney eingeladen.
Dr. Volker Mueller
Präsident der Freien Akademie